Pont du Gard: Ein Aquädukt der Superlative
Der Pont du Gard von Nord-Ost. Foto: P. Völkle ©
Überblick:
Für die Wasserversorgung der Stadt Nimes bauten die Römer im 1. Jhd. n. Chr. eine 50 km lange Wasserleitung. Dieses gewaltige Bauwerk wurde in etwa 10-15 Jahren erbaut und führte in zahlreichen Windungen von den Quellen im Eure-Tal bei der heutigen Stadt Uzès in das römische Nemausus, einer Stadt mit ca. 25 000 Einwohnern. Der Pont du Gard ist ein Teil dieser Wasserleitung und überspannt für den Wassertransport das Tal des Flusses Gard. Auch zahlreiche weitere über- und unterirdische Reste dieses beeindruckenden Bauwerks lassen sich heute an den unterschiedlichsten Stellen beobachten.
Dabei mussten die römischen Erbauer an zahlreichen Stellen komplizierte topografische Gegebenheiten überwinden. Der Höhenunterschied beträgt dabei auf 50 km nur 12 m, dies entspricht einem sehr geringes Durchschnittsgefälle von weniger als 2,5 cm pro 100 Meter!
Literaturhinweise (franz., digital abrufbar):
Die Wasserleitung endete in Nimes am sogenannten Castellum divorsum. Dies diente als zentrales Verteilungszentrum für die verschiedenen Stadtviertel von Nîmes. Von diesem Punkt aus wurde das Wasser durch Bleirohre zu öffentlichen Brunnen, Thermen, Waschhäusern und sogar zu den wohlhabenden Wohnhäusern der Stadt geleitet. Das gut erhaltene Castellum kann auch heute noch besichtigt werden.
Auch das sich direkt neben dem Pont du Gard befindliche Museum «Musée du Pont du Gard» zeigt auf eindrückliche Weise den aktuellen Forschungs- und Wissensstand und lohnt auf alle Fälle einen Besuch.
Der Pont du Gard ist ein dreistöckiges Aquädukt mit außergewöhnlichen Dimensionen: Die unterste Ebene besteht aus 6 Bögen mit einer Länge von 142 m und einer Höhe von bis zu 22 m. Die mittlere Ebene wurde aus 11 Bögen mit einer Länge von 242 m und einer Höhe von bis zu 20 m erbaut. Die oberste Ebene bestand ursprünglich aus 47 Bögen, von denen heute noch 35 erhalten sind. Die Länge beträgt hier 275 m, die Höhe bis zu 7 m. Die gesamte Höhe des Bauwerks beträgt beeindruckende 49 m und die Breite variiert von 9 m an der Basis bis zu 3 m am oberen Ende.
Zeichnung des Pont du Gard, um 1600-1650. Quelle: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b7200332c/f5.item
Im 18. Jahrhundert wurde direkt neben dem antiken Pont du Gard eine neue Straßenbrücke errichtet, um den wachsenden Straßenverkehr sicher über den Fluss Gardon zu führen. Diese Brücke, bekannt als "Pont Pitot", wurde von dem Ingenieur Henri Pitot zwischen 1743 und 1747 erbaut. Sie verläuft auf Höhe der unteren Ebene des römischen Aquädukts und ermöglichte es, den historischen Bau zu entlasten und als Verkehrsweg zu nutzen, ohne die antike Struktur weiter zu beschädigen.
Auf den Steinen des Brückengeländers sind zahlreiche Inschriften und Steinmetzwerkzeuge, etwa Spitzflächen, Winkel und Zirkel, eingraviert. Die Inschriften stammen vor allem aus dem 18. und 19. Jhd., ablesbar sind etwa die Jahreszahlen 1778, 1785 und 1839.
Im Laufe der Jahrhunderte wurden auch immer wieder Reparaturarbeiten durchgeführt: Von Anpassungen der Wasserführung in der Antike über mittelalterliche Eingriffe bis hin zu größeren Restaurierungen in den Jahren 1699-1704, 1855-1859 und noch in jüngerer Zeit im Jahr 1997.
Der Steinbruch
Das Material für den Pont du Gard wie auch für die Brücke des 18. Jhds. wurde in unmittelbarer Nähe, etwa 700 m flussabwärts auf der linken Flussseite abgebaut. Im Steinbruch „Carrière de l’Estel“ wurde ein Kalkstein aus dem Tertiär, genauer aus dem Miozän gebrochen (oberer Burdigalien), einem homogenen, gut zementierten Material mit Schalenfragmenten. Der Steinbruch ist heute noch zugänglich, die antiken und späteren Abbauspuren sind noch gut ablesbar. Es finden sich zahlreiche Steinbruchwände mit Schrotrillen und Schrotgräben mit eindeutigen Hinweisen auf antike Abbautätigkeit.
Der Steinbruch wurde durch verschiedene Fachleute und ausgewiesene Spezialisten umfassend untersucht, die spannenden Erkenntnisse wurden 2002 und zuletzt 2024 publiziert und sind online verfügbar:
Der Steinbruch „Carrière de l’Estel“ liegt ganz in der Nähe des Pont du Gard
Bautechnik
Der Pont du Gard wurde in verschiedenen Mauertechniken erbaut: Die unteren beiden Bogenreihen (1+2) wurden mit großformatigen, sehr präzise geformten Werksteinen ohne Mörtelfugen errichtet. Die obere Bogenreihe (3) besteht aus einem Mischmauerwerk: Der untere Teil und die Bogensteine entsprechen in ihrer Machart den beiden unteren Geschossen, der Bereich über den Bögen wurde aus Opus vittatum und einer Füllung aus Opus caementitium erbaut. Der obere Abschluss - die eigentliche Wasserleitung - bestand aus großen, flachen Blöcken mit einer abschließenden Abdeckplatte. Die wasserführende Rinne wurde mit einem Mörtel aus Kalk, Sand und Ziegelsplit abgedichtet, dies war das übliche Vorgehen der Römer: Die Zugabe des Ziegelsplits führte zu einem wasserdichten Mörtel.
Für den Bau des Aquädukts wurden ca. 21' 000 m3 Quadersteine mit einem Gesamtgewicht von etwa 50' 000 Tonnen verbaut. Als Größenvergleich: dies entspricht ziemlich exakt dem Gewicht des Ulmer Münsterturms, mit 161 m der höchste Kirchturm der Welt.
Mit der baulichen Struktur, dem Bauablauf und den Lehrgerüsten haben sich bereits viele Forscher beschäftigt und es gibt es zahlreiche Rekonstruktionsversuche. So können Teile der auskragenden Bogensteine direkt mit den eingesetzten Lehrgerüsten in Verbindung gebracht werden, auch die vorstehenden Steine der Wandfläche dienten wohl als Abstützhilfen für Hebezeug. Jean-Louis Paillet publizierte dazu interessante Überlegungen [1, S. 59-68].
Der untere Bogen mit den sorgfältig keilförmig ausgearbeiteten Bogensteinen. Am Scheitel werden die Bogensteine mit einem langen Stein klammerartig zusammengehalten (rot markiert). Foto: P. Völkle ©
Die Steinbearbeitung
Die Werksteinoberflächen des Pont du Gard sind meist nur gespitzt oder besitzen als Sichtfläche sogar noch die Schrotrillen des Steinabbaus. Manche Steine wurden zusätzlich noch mit einem Breiteisen überarbeitet, technisch notwendig war dies jedoch nicht. Interessant sind auch die Steine, an denen unterschiedliche Arbeitsstadien sichtbar sind, etwa unfertig abgespitzte Oberflächen. Sie geben einen besonders guten Eindruck über den Arbeitsablauf der römischen Steinmetze. Die Fugen sind sehr fein und präzise ausgeführt, die mörtellose Bauweise mit Grossquadern erforderte eine sehr exakte Arbeitsweise.
Der obere Stein wurde nach dem Abspitzen teilweise mit dem Breiteisen überarbeitet. Der untere Stein zeigt die sehr regelmässigen Spuren des Steinabbaus, die sog. Schrotrillen. Foto: P. Völkle ©
Unfertiger Quader. Foto: P. Völkle ©
Gespitzte und geglättete Steinoberflächen, rechts ein sogenannter "Lehrschlag" am auskragenden Konsolstein. Foto: P. Völkle ©
Durch den hervorragenden Erhaltungszustand sind Fugenschnitt und Bearbeitung hier besonders gut ablesbar. Foto: P. Völkle ©
Die Oberflächen sind sehr regelmässig in Bahnen gespitzt mit schmalen Randschlägen. Foto: P. Völkle ©